Klangvorstellung

Kapriziös wie eine feine alte Dame
KLANGVORSTELLUNG: Italienische Meistergeigen in Stipendiatenhand

Es ist wie mit einer feinen alten Dame: man muss sie charmant angehen, ihr Komplimente machen und man muss sie taktvoll spielen.“ Dann öffne sie ihr Herz. So sagt Maximilian Simon über seine Panormo-Geige von 1760, die er aus der Streichinstrumentensammlung des Landes Rheinland-Pfalz für eineinhalb Jahre zum Spielen bekommen hat. Mit ihr gewann er 2015 das Vorspiel für die Stelle als Stimmführer Zweite Geige beim Radiosinfonieorchester Berlin. Der Geigenbauer Johannes Loescher aus Köln, der vier Geigen, drei Celli, eine Bratsche und den Kontrabass der Landessammlung kürzlich für die Versicherung neu bewertet und für die Spieler hergerichtet hat, bestätigt: „es sind Persönlichkeiten mit ganz tollen Eigenschaften, aber auch mit Macken. Man muss sie zu nehmen wissen“. „Sie sind schon kapriziös“, ergänzt der Cellist Prof. Alexander Hülshoff. Die Instrumente wollten so angesprochen werden, dass sie alles an Klang geben was in ihnen steckt. Hülshoff hatte als Künstlerischer Leiter der Villa Musica die Idee, dem Publikum die wertvollen Meisterinstrumente durch Stipendiaten gezielt vorstellen zu lassen – im
Gesprächskonzert mit Barbara Harnischfeger von den Freunden der Villa Musica. Die „Freunde“ helfen den Leihnehmern der Instrumente seit Jahren, den jährlichen Versicherungsbeitrag aufzubringen.


KLANGVORSTELLUNG hat Barbara Harnischfeger die beiden Konzerte betitelt, die der Verein ins Villa Musica-Jahresprogramm einbrachte – am 20. September 2015 in Schloss Engers und am 19. Dezember im Haus der Villa Musica in Mainz. Gesprächspartner in Engers waren der in Koblenz geborene Geiger Maximilian Simon, der in Frankreich aufgewachsene Garlitzky-Schüler David Petrlik (er spielte eine Pietro Guarneri aus 1702) und Annalena Cech mit einem Kontrabass von Bernard S. Fendt. In Mainz spielte wieder Max Simon und außerdem die Koreanerin Wonhee Bae. Sie hat wie die beiden Kollegen bereits viel Konzerterfahrung.

„Klangvorstellung“ als Titel der Konzerte war im doppelten Wortsinne gemeint. Die Musiker stellten einerseits im Konzert den Klang ihres Instrumentes vor und dazu sprachen sie im Interview mit Barbara Harnischfeger darüber, wie der Umgang mit dem alten facettenreichen Instrument Ihnen eine Vorstellung davon gibt, was an Klang möglich ist. Nach diesem Klang suche man dann auch auf dem eigenen Instrument, sagt Annalena Cech, die Kontrabassistin. Der Geigenbauer Johannes Loescher, der selbst Cellist ist, ergänzt: An dem Tag, an dem jemand das wertvolle Leihinstrument abgeben muss, hat er durch die intensive Beschäftigung damit eine klare Vorstellung, was er erwarten kann und ich bin überzeugt, dass sich ein gut Teil der Information auf ein jüngeres, nicht so teures Instrument übertragen lässt.

Plötzlich ein wertvolles altes, aber unbekanntes Instrument zu spielen, braucht es dafür Erfahrung? Geigenbauer Loescher: „Der Spieler braucht Erfahrung, um die Schwächen eines alten Instrumentes auszugleichen und die Stärken ins Spiel zu bringen“. David Petrlik spricht davon, dass der Geiger die Klangfarben eines Instrumentes herausarbeiten müsse. „Du musst Dein Ohr erst daran gewöhnen“. Es sei geheimnisvoll, eine fast persönliche Beziehung, die zu dem Instrument entstehe. Und wie in einer menschlichen Beziehung komme es auf das Wechselspiel an. „Es geht um Milimeter beim Fingersatz, damit man sauber spielt und die Geige zum Klingen bringt“, erklärt Maximilian Simon. Die Mensur, also die Saitenlänge differiert, der Hals ist dünner, der Korpus kleiner als er es gewohnt ist.

Bei Wonhee Bae und „ihrer“ Sanctus Seraphin aus 1751 stimmt die Beziehung. „Sie klingt so süß“, sagt sie, und:  „Wenn man gut ist und hat ein gutes Instrument, dem man trauen kann, dann spielt man besser“. Wonhee erzählt von einem Auftritt mit Orchester, kürzlich in Paris in einem neuen Konzertsaal vor 2000 Zuhörern. „Ich konnte ganz leise spielen, weil die Geige so eine gute Resonanz hat, der Ton trägt bis in die letzte Reihe“, sagt Wonbee. „Es sind die Obertöne, die mitschwingen, die den Ton weit tragen und die den Klang eines alten Instrumentes so besonders machen“, ergänzt Max Simon. Aber für ihn sei die Sanctus Seraphin nichts gewesen. Er habe sie auch einmal gehabt und bald zurückgegeben. Wonhee Bae kann das verstehen. Sie erzählt, sie habe schon mal eine Stradivari gespielt, aber die habe ihr nicht so gut gefallen wie ihr jetziges Leihinstrument.

Max Simon liegt die Panormo. Der Geigenbauer Johannes Loescher, der sie für ihn eingerichtet hat, sagt: In der Hand von Maximilian hat sich das Instrument innerhalb eines Jahres enorm entwickelt. (Dazu muss man wissen, dass es zuvor einige Zeit nicht gespielt wurde.)

Was heißt, die Geige wurde für den Spieler eingerichtet? Johannes Loescher: Er als Geigenbauer könne den Ton nach den Wünschen des Spielers leicht verändern, den Ton zum Beispiel wärmer klingen lassen. Mit dem Musiker das Klangideal zu suchen, das könne Tage dauern oder auch ganz schnell gehen. Die Klangjustierung sei eine Feinarbeit am Steg und am darunter sitzenden Stimmstock, der sogenannten „Seele“. Max Simon habe gewollt, dass die g-Saite voller klingt. Da habe er, der Instrumentenbauer, mit einer Art Skalpell einen Hauch von der linken Seite des Stegs, über den die Saiten gespannt sind, abgeschnitten. Ob das bei einem Denkmal erlaubt sei, fragt Barbara Harnischfeger. Und Loescher erläutert, dass der Steg ohnehin gelegentlich erneuert werde – auch bei einem 300 Jahre alten „denkmalwerten“ Instrument. Nichts ändern würde er natürlich an dessen Korpus.

Um den
Wert alter Meistergeigen wird viel Aufhebens gemacht. Ist das gerechtfertigt? Johannes Loescher hat in Cremona, d e r Geigenbauerstadt, gelernt und ist bei HENLEY’S COLOGNE Spezialist für historische Streich-instrumente. Er räumt ein, man wisse von Blindvergleichen beim Spielen hinter einem Vorhang, dass junge Instrumente sich gut gegen die alten behaupten können und dass es auf die Beziehung zwischen Spieler und Instrument ankomme. Aber, so sagt er: „Die alten Instrumente haben eine Geschichte. Es sind alles Unikate. Und sie werden wie ein Gemälde als Wertanlage gehandelt. All das zusammen mache den Nymbus aus.

Die Instrumente der Landessammlung sind neu bewertet worden von Johannes Loescher. Wie kann man sicher sein, dass seine Expertise richtig ist? Die Antwort: Heutzutage im globalisierten Geschäft sei jeder Experte vorsichtig. Die Expertisen seien so gut abgestimmt unter den Kennern, dass ein Käufer nicht fürchten müsse,
falsch informiert worden zu sein. Bei der in den Anfang der 90er Jahre angeschafften Bratsche aus der Landessammlung Rheinland-Pfalz wollte Loescher die historische Herkunft aus Genua und den Kaufwert übrigens nicht bestätigen. Gut klingen könne das Instrument trotzdem.

Neun Instrumente sind seit Beginn der 90er Jahre im Besitz der „Kulturstiftung Rheinland-Pfalz“. In der Ära von Kulturministerin Rose Götte waren sie angeschafft worden, um hochbegabten Musikern die Chance zu geben, ein sehr gutes Instrument kennen zu lernen und damit ihre künstlerische Entwicklung zu fördern, berichtet zu Veranstaltungsbeginn der damalige Musikreferent im Ministerium, Alfons Moritz, der heute Zweiter Vorsitzender von „Freunde der Villa Musica“ ist.

Die Villa Musica ist nicht Eigentümerin der Instrumente, sie ist nur zuständig für die Probespiele, bei denen sich ein Stipendiat um die Ausleihe bewerben kann. Der Künstlerische Leiter der Villa Musica, Alexander Hülshoff, entscheidet, wer ein Instrument aus der Landessammlung eineinhalb Jahre lang spielen darf. Für Wonhee Bae ist die Ausleihzeit übrigens verlängert worden. Auch so etwas ist möglich.

Um noch einmal zurück zu kommen auf die Persönlichkeit einer italienischen Meistergeige, die nach einhelliger Auffassung der Musiker wie eine kapriziöse alte Dame ist: „Im Winter und bei Wetterumschwung merkt man schon mal die Altersschwäche. Da verstimmt sie sich leicht und zickt herum“, sagt Max Simon. Dass die alten Schätzchen fachkundige Betreuung brauchen zeigte sich beim Gagliano-Cello aus der Landessammlung Rheinland-Pfalz. Die Decke sank ein, weil die Spannung der Stahlsaiten zu groß war, erzählt Prof. Hülshoff. Johannes Loescher hat Darmsaiten aufgezogen, wie es 1790 als das Cello gebaut wurde, üblich war. Alexander Hülshoff will das Instrument künftig für Werke mit Cembalo-Begleitung einsetzen und seinen alten Charme, den historischen Klang zur Geltung bringen.




Klavierbegleiterin bei KLANGVORSTELLUNG war Erika Le Roux(2.v.l.)

 

 

 

 

 

 

 

 


Persönliche Informationen über die Künstler im Internet:
www.maximilian-simon.com
www.wonheebae.com
www.davidpetrlik.com
www.villamusica.de/stipendiaten/cech-anna-lena