2015 - Mit Mozart in Prag

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Villa Musica füllt den berühmten Dvorak-Saal und die FREUNDE sind dabei

Kammermusik in einem Saal für 800 Zuhörer. Wird das angenommen? In Prag ja. Der angesehene tschechische Cellist Tomas Yamnik und die Stipendiaten der Villa Musica mit weiteren Dozenten hatten ein volles Haus als sie am 21. Oktober 2015 unter anderem das sogenannte „Nannerlseptett“ von Mozart spielten. Das Konzert stand am Ende eines Villa Musica-Akademieprojektes, das Yamnik in Schloss Engers begonnen und in seiner Heimat mit zwei Aufführungen beendet hat. Tomas Yamnik, vor zehn Jahren selbst Stipendiat der Villa Musica in Rheinland-Pfalz, hat in Prag heute seine eigene Kammermusikakademie, ein Gegenstück zur Villa Musica. 42 „Freunde der Villa Musica“ waren im Dvorak-Saal des Rudolfinums im Publikum und erlebten den großen Erfolg in diesem Heiligtum der tschechischen Musik, in dem sonst die Tschechische Philharmonie spielt. Vorausgegangen war ein Konzert beim Talich-Festival in Beroun bei Prag. Der große tschechische Dirigent Vaclav Talich ist in Beroun geboren.

Eine Besonderheit der Villa Musica-Freundes-Reisen ist die Begegnung mit den Musikern. Wann immer es deren Arbeitsrhythmus zulässt wird zusammen gegessen und dabei geredet. So erlangen die Musik-Hörer persönlich Einblicke in das, was die Musik-Macher bewegt.

Eine Mitarbeiterin von Tomas Yamnik, Marie Duskova, hatte von Prag aus alle Besichtigungen und manche gemeinsame Einkehr auf der Reise organisiert. Ausgedacht und geplant worden war das Programm wieder von der Freundeskreisvorsitzenden Barbara Harnischfeger, auf der Basis von Anregungen durch Prof. Böhmer. Und die Mitreisenden gaben vielfach dankbare Rückmeldung zu dem Gebotenen. Fazit von Hans Hartenfels aus Neuwied, der erstmals mit den Freunden der Villa Musica auf Reisen war: „Es lohnt sich im Freundeskreis Mitglied zu sein, nicht nur wegen der schönen Konzerte, sondern auch wegen solch hervorragend ausgearbeiteter und geführter Reisen.“



Mozart in Prag:

Wenn Musikfreunde nach Prag fahren, dann wissen Sie natürlich, dass hier im Graf Nostiz’schen Theater, heute Ständetheater,  Wolfgang Amadeus Mozart 1787 seinen „Don Giovanni“ uraufgeführt hat. Zuvor feierte er hier mit dem „Figaro“ Triumphe.

Keiner kann Musikhistorisches profunder und unterhaltsamer vermitteln als  Prof. Dr. Karl Böhmer von der Villa Musica. So führte er durch Prags Altstadt und vermittelte den „Freunden der Villa Musica“ auf seine unnachahmlich sachkundige und gleichzeitig unterhaltsame Art Folgendes:

Im Gasthaus „Zu den Drei Löwen“ am Kohlmarkt, wo heute ein Mozart-Relief die Hausfassade ziert, logierte das Genie im Oktober 1787 während der Einstudierung des "Don Giovanni". Mozarts Textdichter Lorenzo da Ponte hatte sich genau gegenüber einquartiert, im Gasthof "Zum Platteis". Änderungen an der Oper sollen sich die Beiden angeblich über die enge Straße hinweg zugerufen haben.

Billard spielte Mozart im Kaffehaus „Zur blauen Traube“ in Nachbarschaft zum „Ständetheater“, dem Aufführungsort seiner Opern. 1791, während der Vorbereitungen zu "Titus", suchte Mozart regelmäßig das benachbarte Kaffeehaus "Zur blauen Traube" auf, das damals über einen Gang mit dem Ständetheater verbunden war, weil es Haupttreffpunkt der Sänger und Schauspieler war. Man bemerkte einige Tage lang, dass Mozart, während er im Kaffehaus Billard spielte,  ganz leise für sich hin sang: 'hmm hmm mm hmm mm.....“ . Währen sein Mitspieler am Queue war, zog Mozart ein Buch aus der Tasche , warf flüchtige Blicke hinein und dann war er wieder dran und stieß die Kugel. „Wie erstaunt war man, als Mozart auf einmal seinen Freunden im Haus der Prager Sängerin Duschek  das schöne Quintett aus der Zauberflöte zwischen Tamino, Papageno und den drei Damen auf dem Klavier vorspielte, das gerade mit dem selben Motiv beginnt, welches Mozart während des Billardspielens so beschäftigt hatte."  So berichtete Georg Nikolaus von Nissen, der zweite Gemahl von Constanze Mozart, in seiner Mozartbiographie.


Obecni Dum – ein Juwel des Jugendstils

Schlicht GEMEINDEHAUS, Obecni Dum, nennen die Prager diesen Bau, in dem es den Smetana-Konzertsaal gibt und viele andere Veranstaltungsräume. Die Ausstattung bis ins kleinste Detail ist Jugendstil von hinreißender Schönheit. Alfons Mucha war einer der Gestalter. Der Gesamteindruck und die Details lassen einen Fotografen nicht los.


Touristenviertel im Schnelldurchgang

Zu Prag gehört natürlich der Altstädter Ring und gehört auf der anderen Seite der Moldau der Hradschin, die Prager Burg. Auch das haben die Freunde der Villa Musica gesehen. Aber kaum jemand war zuvor noch nicht in Prag gewesen. Und so konnte sich jeder aussuchen, was er in der freien Zeit zusätzlich zum gemeinschaftlich Angebotenen sehen wollte. Wer noch nicht auf dem jüdischen Friedhof, in der Synagoge war, ging natürlich auch dort hin. Wohin es auf der Kleinseite Viele zog, nach Ende der offiziellen Führung über die Prager Burg und den Veitsdom, war das Palais Lobkowicz, Sitz der Deutschen Botschaft. Denn jeder hat das Bild vor Augen als am 30. September 1989 Außenminister Hans Dietrich Genscher dort auf den Balkon trat und den Bürgern der DDR, die sich in die Botschaft geflüchtet hatten, zurief: „ Wir sind gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass Ihre Ausreise....“ -der Rest des Satzes ging in Jubel unter. Es ist auch 26 Jahre später ein Gänsehaut-Moment, am Zaun des Botschaftsgartens auf den Balkon zu schauen, auf dem Genscher stand. Und auf dem Rasen unten erinnert heute eine Trabbi-Skulptur an das Ereignis.


Smetana Museum und Dvorak Sommerrefugium

Wer mit Prof. Böhmer unterwegs ist, braucht keinen örtlichen Museumsführer.
Auch im Smetana-Museum an der Moldau in Prag(rechtes Foto) gab der Mainzer Musikwissenschaftler die Erläuterungen und genau so am Nachmittag in Vysoka,
wo Antonin Dvorak auf dem Anwesen seines Schwagers Graf Kamnitz im Sommer lebte und komponierte. Kamnitz hatte die Schauspielerin Josefina geheiratet, die Dvorak liebte. Dvorak nahm die jüngere Schwester Anna und hatte mit ihr fünf Kinder. Josefina soll so schön gewesen sein, sagen die historischen Quellen laut Prof. Böhmer. Die Frauen in der Reisegruppe diskutieren das lebhaft anhand der überlieferten Fotos. Dvorak lebte im Verwalterhaus von Vysoka. Die Villa ist jetzt Dvorak-Museum. Im nahe gelegenen Dorf Trebsko spielte der berühmte Komponist sonntags die Orgel. Und auch die bekamen die Freunde der Villa Musica zu Gesicht, nachdem sie zunächst vor verschlossener Tür gestanden hatten. Sie waren schon im Weggehen als sich ein Einheimischer einfand, der den deutschen Reisebus gesehen hatte, und die Kirche aufschloss.

 


Himmlische Monteverdi Marienvesper

Ein ganz großes Erlebnis war die Aufführung der Marienvesper von Claudio Monteverdi durch das „Collegium 1704“ in der St. Annenkirche in Prag. Wer die Kirche auf dem Stadtplan gesucht hatte, war der Verzweiflung nah, weil sie unter dem Oberbegriff Kirche in keinem Reiseführer aufzufinden war. Die Reiseleitung fand natürlich heraus, dass es sich um ein säkularisiertes Gotteshaus handelt, das durch die Dagmar und Vaclav Havel-Stiftung zum Veranstaltungsort umfunktioniert worden ist. Und beim gemeinsamen Gang vom Hotel fand die Reiseleiterin von einer kleinen Gasse aus den versteckten Zugang zu „Slava Anny“. Große Staatsbankette haben hier schon stattgefunden. Aber die Aura des 927 erbauten Kirchenraumes ist erhalten und gab dem Monteverdi-Konzert  würdigen Rahmen. Karl Böhmer hatte zuvor erläutert, dass Monteverdi der Komponist war, welcher um 1640 in der Kirchenmusik den Sologesang eingeführt hat. Er hat das Antifon der Gregorianik, den Refrain eines Psalms, durch ein Solo ersetzt. Noch Palästrina hatte nur mehrstimmig komponiert. Monteverdi ist auch der Komponist, der in Mantua mit dem „Orfeo“ die erste  vollgültige Oper geschrieben hat, mit Soloarien. Die Interpretation seiner Marienvesper durch das „Collegium 1704“ war herausragend. Wie im Barock kamen die Solisten aus dem Chor und sie meisterten die Koloraturen perfekt. Jeder Satz der Vesper war anders besetzt, auch zwei- und dreistimmig, dann wieder vierstimmig. Nichts von Eintönigkeit. Und die Stimmen im Kirchenraum: himmlisch.


Verdi im Prager Nationaltheater

Weil Villa Musica-Freunde von Musik nie genug bekommen können, hatte Barbara Harnischfeger für den letzten verfügbaren Abend in Prag auch noch einen Opernbesuch gebucht: „Rigoletto“ im Nationaltheater. Welches Nationaltheater, Narodni divadlo? Das an der Moldau, dachte auch die einheimische Stadtführerin Darina Jaskova. Gut, dass beim Sortieren der Eintrittskarten Zweifel aufkamen. Und tatsächlich stand unter  dem Oberbegriff Nationaltheater noch „Staatsoper“, und das ist die oberhalb des Wenzelsplatzes.
Karl Böhmer hatte beim Stadtrundgang erklärt, dass dies das Haus war, an dem in deutsch gespielt wurde, unter dem Einfluss der österreichischen Herrschaft in Prag. Woraufhin die Tschechen ihr Opernhaus an der Moldau bauten, das mit der goldenen Kuppel, und hier tschechische Werke spielten. Die Rigoletto-Aufführung in Prag hat den Reiseteilnehmern gut gefallen. Die überwiegend tschechischen Sänger hatten großes Format. Der Herzog war ein slowakischer Tenor, Peter Berger, und hervorragend. Die Inszenierung: traditionell. Vielstimmiger Kommentar der Reiseteilnehmer: „Endlich mal kein Verhunzen der Oper durch die Regie“.


Rarität Barocktheater in Cesky Krumlov

Warum von Prag aus zwei Stunden fahren in den Süden Böhmens, nach Cesky Krumlov: Nun, es war das Bestreben, auch noch böhmische Landschaft kennen zu lernen und einen kleinen Ort, der Unesco-Welterbe ist. Cesky Krumlov, zu deutsch Krumnau, ist ein Bilderbuchort, überragt vom Renaissance-Schloss der Eggenbergs. Die Sensation: Im Schloss gibt es einen Theatersaal aus 1613, mit Holzbänken für die Zuschauer und der Bühne, die 1682 nach italienischen Plänen mit stehender Kulisse, mit perspektivisch angeordneten Soffitten konzipiert und bis heute original erhalten ist. Eine Sensation. In der Untermaschinerie: Holzwinden, Seilzüge, Windmaschine, eingerollte Prospekte. Alles noch funktionsfähig. Wie es funktioniert und wie die Verwandlungen per Hand gesteuert werden,s ist in einem Film zu sehen, der im September beim Festival der Barockkunst entstanden ist und bei der Führung im Theater gezeigt wird. Das neben Trottingholm einzigartige Krumlover Barocktheater ist immer noch in der Restaurierung. In den Fundus, den es sonst in der Welt nirgends mehr gibt, bekommt man leider keinen Einblick. 600 Kostüme sollen erhalten sein, dazu Noten und Requisiten. Eine museale Präsentation gibt es noch überhaupt nicht. Vieles sei noch nicht enträtselt.

So riesig und imposant das Schloss, im Graben lebt sogar ein Bär, so niedlich wirken die Häuser am Schlossberg, der von der Moldau umschlungen ist. Am Rande erwähnt: der Strudel, den wir in einem winzigen Lokal bekommen haben – aufgeteilt in zwei Gruppen – war eine Empfehlung unserer kundigen Darina Jaskova und eine Offenbarung. Nicht nur Apfelstrudel. Auch Mohnstrudel. Und neben dem süßen auch salzige Strudel - in Handarbeit hergestellt. Einmalig gut. „Strudl Krumlov“ im „Hotel Lateran“ ist die Adresse.

Und dann hatten wir auch noch das Glück, Menschen in sehr geschmackvollen historischen Kostümen zu begegnen – sie waren auf dem Weg zu einer Veranstaltung am Ende der Touristensaison, so sagten sie auf Nachfrage.
Es war immerhin schon der 24. Oktober und auch für die „Freunde der Villa Musica“ der letzte Tag ihres Prag- und Böhmen Aufenthalts.


Abschluss in der Hussitenstadt Tabor

Tabor, auf halber Strecke zurück nach Prag, war als Ort für das Abschlussessen ausgewählt. Tabor ist 1420 als Militärlager von den Hussiten gegründet worden. Jan Hus, als Reformator ein Vorläufer von Martin Luther, hielt Gottesdienste nicht in lateinischer, sondern in tschechischer Sprache. Er wetterte gegen die materielle Macht der Priester, er führte Kreuzzüge und er lieferte sich Schlachten mit den Heeren des katholischen Kaisers Sigismund. Tabor ist auch eine Stadt, durch die sich der Rundgang vor dem Abschlussessen der Reise lohnte.

Nachklang

Am Sonntag, 25. Oktober Rückreise der Villa Musica-Freunde nach Rheinland-Pfalz. Und am 19. Dezember gab es in der Villa Musica in Mainz einen „Nachklang“, ein Wiederhören mit Dvorak und mit Monteverdi – diesmal als Interpretationsvergleich und von CD. Nach der Reise ist vor der Reise. Seit Dezember arbeitet Barbara Harnischfeger bereits an der Reise 2016. Und die geht zum Villa Musica-Partner „SoNoRo Festival Bukarest“ nach Rumänien.