2019 - Pfalz

„In des Königreichs mildestem Teil“
26.-28.Oktober 2019: Ausflug zum Konzert auf Villa Ludwigshöhe und mehr

Blick von Villa Ludwigshöhe über die Weinfelder hinunter nach Edenkoben und bis ins Rheintal. Bayernkönig Ludwig I. hat das Schloss bis 1852 als Sommerresidenz im Stil einer italienischen Villa erbauen lassen. Dort wo die umgebende Landschaft die Anlage eines Schlossparks unnötig machte, ist im Süden von Rheinland-Pfalz der schönste Konzertort von Villa Musica. Bevor der heutige Besitzer, die Generaldirektion Kulturelles Erbe, dort die Baugerüste aufstellen lässt, um wichtige Fenster- und Fassaden-Sanierungen vorzunehmen, wollte die Villa Musica-Freundeskreisvorsitzende Barbara Harnischfeger dorthin einen Ausflug anbieten, damit auch die Mainzer, die Koblenzer, die Engerser diesen Ort samt der dort beheimateten Slevogt-Ausstellung kennen lernen oder einmal intensiv wahrnehmen. Die Gruppenteilnehmer aus dem Norden fuhren dann am Sonntag noch zur Burg Trifels bei Annweiler, das ist auch ein Konzertort von Villa Musica. Am diesem Abend gab es Essen und Weinprobe in Deidesheim. Am Montag vor der Heimreise stand etwas ganz Außergewöhnliches auf dem Programm: das Weinessiggut „Doktorenhof“ in Venningen. Und schließlich ging es in Neustadt hinauf zum Hambacher Schloss. Blick über Weinberge so weit das Auge reicht, hinüber in die Rheinebene und bis ins Kurpfälzische. Es war ein herrlicher Herbstausflug in -wie immer bei den „Freunden der Villa Musica“ - harmonischer Gesellschaft.

Als Anlass für die Fahrt in die Pfalz wählte die Freundeskreisvorsitzende das SWR2-Konzert mit der Geigerin Johanna Pichlmaier, einer ehemaligen Villa Musica-Stipendiatin, am Samstag, 26. Oktober in der Villa Ludwigshöhe. Die 1990 in Österreich geborene Geigerin hatte zuvor den 1. Preis bei der Ysaye International Music Competition in Belgien gewonnen. Und, was noch wichtiger für Sie ist, erzählt sie im kurzen Talk nach dem Konzert: sie hat das Vorspiel Erste Geige tutti bei den Berliner Philharmoniker gewonnen – ihre Traumstelle bekommen. Dafür hat sie ihre feste Stelle beim Sinfonieorchester des Bayrischen Rundfunks aufgegeben. Johanna Pichlmaier spielte virtuose Stücke von Beethoven, Schubert, Schönberg und Saint-Saens perfekt. Begleitet wurde sie von dem Georgier Mamikon Nakhapetov. Zum Konzert kamen auch viele Freundeskreismitglieder, die in der Pfalz wohnen, und waren begeistert. Insgesamt waren es 40 Konzertbesucher aus dem Freundeskreis.

Italienisch ist nicht nur die bauliche Anlage von Villa Ludwigshöhe. Von der Liebe des Bayernkönigs Ludwig I. zur Antike zeugen auch die Innenraum-Fresken im pompejanischen Stil – wobei das meiste erst nach dem Tod des Königs ausgeführt wurde. Im Besitz des Landes Rheinland-Pfalz ist das Schloss seit 1975. Helmut Kohl als Ministerpräsident hat es aus dem Erbe der Wittelsbacher für 1,8 Millionen D-Mark gekauft. Als Bundeskanzler hat er dann hier Staatsgäste empfangen. Die Villa Musica und der SWR bespielen seit 1985 den ehemaligen Speisesaal des Schlosses.

Im Bild unten links posieren Freunde der Villa Musica in der Küche. Sie ist nahezu unverändert als Ensemble erhalten und sie ist ein kleines Wunderwerk an Energieeffizienz. Diese wird erreicht mit aus heutiger Sicht einfachsten, aber raffinierten Mitteln. Der zentrale Hauptherd diente nicht nur zum Kochen und Braten selbst. Sein Feuer betrieb zugleich einen Boiler, der fließend heißes Wasser lieferte. Der Rauchabzug verlief durch den Fußboden und erhitzte obendrein einen externen Backofen. Dann stieg der Rauch durch eine Räucherkammer und zog erst danach in den Kamin ab. Raffinierte Mehrfachnutzung von Wärme.

 

 

 

 

 

 

 

Der aus aus Bayern stammende Max Slevogt war seit 1901 in Berlin ansässig, wo er mit Max Liebermann und Lovis Corinth als "deutscher Impressionist" tituliert wurde und damit zur Avantgarde der deutschen Kunst gehörte. Als Mitglied der Berliner Sezession hatte er zahlreiche Kontakte zur internationalen Kunstszene. Zugleich trug er durch seine regelmäßigen Sommeraufenthalte in Neukastel westlich von Landau das Flair großstädtischen Lebens und Denkens in den südwestlichsten Winkel der Pfalz. 1971 erwarb das Land Rheinland-Pfalz 121 Gemälde aus dem Slevogt-Nachlass. Zu verdanken ist das dem Geschick von Berthold Roland. Der Kunsthistoriker war in den 70er Jahren Referent im Kultusministerium und hat von da aus die Einrichtung von Villa Ludwigshöhe vorbereitet. 1983 wurde Roland Direktor des Landesmuseums in Mainz. Von dort aus wird die Slevogt-Ausstellung auf Villa Ludwigshöhe gepflegt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  Trifels-Serenaden heißt eine Konzertreihe der Villa Musica. Auch diesen Konzertort wollten die „Freunde und Förderer“ sehen. Die Reichsburg Trifels liegt auf der Höhe über Annweiler im Pfälzer Wald. Sie war im 12. und 13. Jahrhundert eine der wichtigsten Stätten salisch-staufischer Herrschaft über das Heilige Römische Reich. Hier wurden die Reichskleinodien aufbewahrt: Krone, Zepter, Reichsapfel. Heute werden Nachbildungen präsentiert. Die Originale sind heute in der Wiener Hofburg. Berühmt ist ein Gefangener, der in Trifels festsaß: der englische König Richard Löwenherz. Gegen ein gewaltiges Lösegeld ließ ihn der der Staufer-Kaiser Heinrich IV. wieder ziehen. Viel Originales gibt es am Gemäuer von Burg Trifels heute nicht mehr zu sehen. Ringmauer, Torweg, Brunnenturm, Hauptturm, Basis des Palas zeigen zwar noch Spuren salischer und staufischer Baumeister. Dazu kommen aber historisierende   Aufbauten, Um- und Anbauten, die während des Dritten Reiches und danach entstanden sind. Trotzdem ist Burg Trifels imposant. Die Lage und die Aussicht über den Pfälzer Wald sind grandios

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Panoramafoto Burg Trifels mit dem gegenüber gelegenen historischen Kurhaus in Annweiler

Zum Pfalzausflug gehört eine Weinprobe. Klar. Aber was ist eine Essigprobe?  Kann man Essig pur trinken? Ja. Wenn er so edel wie ein Wein ausgebaut wird wie im Doktorenhof von Georg-Heinrich Wiedemann. Er kultiviert Essige, die als Aperitif oder Degistif trinkbar sind oder aufgesprüht auf Fisch und Fleisch, die Speise im Geschmack veredeln, ihr eine superbe Note verleihen. Die Trauben kommen aus dem eigenen Weinberg. Der Winzer Wiedemann hat vor vielen Jahren eine Alleinstellung gefunden und ist zum Vermarktungskünstler geworden. Die Freunde der Villa Musica waren erstaunt, wohin Barbara Harnischfeger sie geführt hat. Die kannte die Essig-Manufaktur aus ihrer Reporter- und Moderatorenzeit beim SWF/SWR, ist fasziniert von der Essigmutter, die sie damals gesehen hat. Essigmutter ist eine gallertartige Masse aus Essigsäure-Bakterien. Sie wird gebraucht um den Alkohol im Wein mit Hilfe von Sauerstoff zur Essigsäure zu fermentieren. Für alle war der Doktorenhof in Venningen ein Erlebnis und keiner fuhr ohne einige Fläschchen edelsten Essigs nach Hause. Das Angebot der Flaschen war pittoresk, die Aromen der ausgeschenkten Proben waren betörend, die Qual der Wahl also groß.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf dem Hambacher Schloss empfing uns Ulrike Dittrich, früher einmal Hausdame in Schloss Engers und jetzt schon seit zehn Jahren die Geschäftsführerin und Managerin der Stiftung Hambacher Schloss. Sie erzählte, angestoßen durch Barbara Harnischfeger, aus dem Nähkästchen. Bis 2002 war das Schloss im Besitz des Landkreises Bad Dürkheim. Dann hat sich zu Zeiten des Kultur-Staatssekretärs Joachim Hofmann-Göttig das Land Rheinland-Pfalz engagiert, eine Stiftung mit Beteiligung von Kreis, Stadt und dem Bezirksverband der Pfalz gegründet, aber als Hauptstifter dafür gesorgt, dass das Schloss als moderne Veranstaltungs- und Besichtigungsstätte ausgebaut wurde. Die Entfernung der alten Holzbalkendecke im großen Saal führte zu großem Unmut in der Region, wobei man wissen muss, dass die Einbauten aus den 1960er Jahren und 1980er Jahren stammten. Schloss Hambach war ab dem 15./16. Jahrhundert Ruine und wenig ist original erhalten. Kurt Karst, ehedem Geschäftsführer der Stiftung Villa Musica, brachte beim Aufbau der neuen Träger-Stiftung sein Know How ein und hat große Verdienste bis Frau Dittrich übernahm, wie sie selbst erzählt. Bis 2008 entstand ein dem historischen Baudenkmal angepasster Gastronomiebau, der von den Freunden der Villa Musica eindeutig als gelungen und überhaupt nicht das Denkmal störend empfunden wird, eher wie eine dazu gehörige Burgmauer.

 

Inhaltlich wurde das Hambacher Schloss –auch mit Mitteln des Bundes - zur Gedenkstätte der deutschen Demokratie aufgewertet, eine Dauerausstellung eingerichtet. Unter dem Titel Hinauf, hinauf zum Schloss! thematisiert die Ausstellung im Zentrum das Hambacher Fest von 1832, das als Grundstein für die deutsche Demokratie gilt. Die Teilnehmer und Redner des vorgetäuschten Volksfestes – darunter auch Studenten und Professoren aus Heidelberg - hatten politische Ziele. Sie forderten die nationale Einheit Deutschlands, sowie ein „conföderiertes republikanisches Europa“. Die Pfälzer, angesteckt von der französischen Revolution und ab 1806 bis zum Wiener Kongress unter französischer Herrschaft gewisse Freiheiten gewöhnt, forderten vom bayrischen König Ludwig I. – demjenigen, der das schöne Schloss Ludwigshöhe gebaut hat - Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und die Gleichberechtigung der Frauen.

Wegen dieses Ereignisses vom 17. Mai 1832, an dem 20 bis 30 000 Menschen aus der Pfalz und Deutschland, aber auch Polen und Franzosen teilnahmen, wird das Hambacher Schloss als Wiege der deutschen Demokratie sowie der europäischen Einigung bezeichnet. Schwarz-rot-gold war die Fahne des Hambacher Festes. In der Ausstellung ist die Original-Fahne von 1832 zu sehen, eine Leihgabe der Familie aus Neustadt, deren Vorfahre, die Fahne genäht hatte und nach der Kundgebung wieder mit nach Hause nahm. Sie war ja eine verbotene Fahne. Das erste Hambacher Fest verlief friedlich. Aber nach dem Fest wurden die Initiatoren, die Journalisten Siebenpfeiffer und Wirth verhaftet. Das Militär in der Pfalz wurde um 6000 Mann verstärkt und griff hart durch. Es musste erst 1848 werden bis demokratische Gedanken in Deutschland zum Teil wirksam wurden.