Auf dem Weg zu künstlerischer Reife:

Dmytro Udovychenko ist der STERN VILLA MUSICA 2022

In einem Konzert des Mainzer Musiksommers am 21. Juli 2022 überreichte Barbara Harnischfeger den Pokal „Villa Musica Stern 2022“ an Dmytro Udovychenko, den 23jährigen Geigenvirtuosen aus der Ukraine, der seit 2018 Stipendiat der Villa Musica ist und an vielen Projekten teilgenommen hat. An ihm lässt sich deutlich ablesen, was die Akademien und Konzerte der Villa Musica mit einem jungen Musiker machen: sie sind ein wesentlicher Schritt zur künstlerischen Reife. Die Freunde der Villa Musica hatten den Geiger erstmals in Lviv, ehemals Lemberg, in der Ukraine erlebt. Dorthin hatten sie Prof. Hülshoff und Stipendiaten 2018 begleitet. Damals spielte Dmytro schon gut, war aber noch blass und schüchtern. Vier Jahre später ist er ein Geiger mit Charisma, wie Prof. Karl Böhmer in seinem Internet-Bericht über das Preisträgerkonzert „Stern Villa Musica“ schreibt.

Preisgeld schenkt Zeit für Wettbewerbsvorbereitung

Schon im Alter von sechs Jahre begann Dmytro Udovichenko an einer Spezialschule in Charkiv seine Ausbildung als Geiger. Seit 2016 studiert er bei Prof. Garlitsky in Essen und hier an der Folkwang Hochschule absolviert er sein Bachelor-Studium. Zur Selbstsicherheit hat gewiss auch beigetragen, dass Dmytro an vielen Wettbewerben teilgenommen hat. Beim Internationalen Joseph Joachim Wettbewerb errang er 2018 den zweiten Preis und mehrere Publikumspreise. Er spielte damals die Pietro Guarneri Violine von 1702 aus der Landessammlung Rheinland-Pfalz. (Die Freunde der Villa Musica beteiligen sich an der Versicherungssumme für diese wertvollen Instrumente). 2021 hat Dyma, wie ihn Freunde nennen, den ersten Preis beim Odessa Violin Wettbewerb errungen, 2022 den dritten Preis beim Sibelius-Wettbewerb in Finnland. Auf diesen Wettbewerb konnte er sich dank der 3000 Euro aus dem Preisgeld „Stern Villa Musica“ ganz konzentriert vorbereiten, seinen Lebensunterhalt bestreiten und musste die Zeit nicht „mit Jobs, mit Mucken“ in zweitklassigen Orchestern verbringen, so erzählt er. Als Nächstes, für Dezember 2022, steht die Teilnahme an der „Singapore International Violin Competition“ an.

Perfekte Technik und Großer Ausdruck

Der Förderpreis „Stern Villa Musica“ steht nicht am Ende eines Wettbewerbs und ist auch kein Publikumspreis, sondern wird vom Künstlerischen Direktor der Villa Musica, Prof. Alexander Hülshoff, entschieden. Er wählt einen Stipendiaten, eine Stipendiatin aus, die am Ende ihrer Villa Musica-Zeit ist – abseits von Corona sind es drei Jahre - und viele Kurs- und Konzert-Projekte mitgemacht hat. Dmytro Udovychenko fiel Prof. Hülshoff nicht nur durch seine virtuose Beherrschung der Geige auf, sondern auch als ideenreicher Gestalter in den verschiedenen Zusammensetzungen der Akademieprojekte und vor allem als guter Teamplayer: darauf kommt es bei der Kammermusik schließlich an. Und Dmytro Udovychenko, der durchaus eine Solokarriere anstrebt, sagt: „Kammermusik ist das Schönste, macht am meisten Spaß“.

Sorge um die Eltern

Bei der Preisverleihung „Villa Musica-Stern 2022“, gelang es der Freundeskreisvorsitzenden Barbara Harnischfeger, dem jungen Geiger manch persönliche Facette zu entlocken. Er wurde in Charkiw im Nordosten der Ukraine geboten, das nun unter russischem Beschuss steht. Seine Mutter reist mit dem Opernorchester von Charkiw durch Europa, ohne zu wissen, wann sie wieder zurückkehren kann, während ihr Mann mit seiner Mutter in der Stadt ausharrt. Dmytros Vater ist Professor für Bratsche an der Musikhochschule, kann aber nicht arbeiten, weil das Gebäude von einer Bombe getroffen wurde und erst repariert werden muss. Dmytro: „Wenn bis zum Winter das Dach nicht dicht gemacht werden kann, gehen alle Instrumente kaputt.“ Charkiv ist übrigens eine Stadt mit 1,5 Millionen Einwohnern, ein Industriezentrum und nach Kiew das bedeutendste Wissenschafts- und Bildungszentrum des Landes, mit 28 Universitäten und Hochschulen, sechs Theatern und sechs Museen.


Der kurze Einblick in die Situation einer ukrainischen Familie machte die ganze dramatische Spannung zwischen Krieg und Musik auch an diesem Abend deutlich. Entsprechend bewegend waren die Worte des neuen Preisträgers und der Laudatorin.

Berührender Schubert

Im Konzert konnte Dmytro Udovychenko spielend beweisen, dass er ein Violinvirtuose mit perfekter Technik und großem Ausdruck ist. Im wahrhaft monumentale Schubert-Trio in Es-Dur op.100 wirkte er zusammen mit dem pfälzischen Pianisten Joseph Moog und der Cellistin Friederike Arnholdt. Die fesselnde Darbietung wurde mit etlichen Bravos belohnt. Barbara Harnischfeger sagt im Nachhinein: „Es war ein ergreifender Schubert. So fein und sauber gespielt, ganz schlicht und in seinen Melodien berührend. Und die Drei waren ein Dreamteam.“ Wer hat hier den Ton angegeben, fragt die immer neugierige Freundeskreisvorsitzende dann noch nach dem Konzert. „Alle“, sagt Dmytro. „Habt Ihr nur musikalisch probiert oder habt Ihr auch diskutiert?“ „Wir haben auch viel diskutiert.“ Das ist Kammermusik: ein Gemeinschaftswerk von gleichberechtigten Menschen.

Zum selig singenden Schubert bildeten die Virtuosenwerke des ersten Teils einen wirkungsvollen Kontrast: Dmytro Udovynchenko spielte zu Beginn die Paganini-Capricen Nr. 11 und 24, Joseph Moog gleich danach die Klavierübertragungen, die Robert Schumann angefertigt hat. Zwei Virtuosen und ihre Instrumente im Wettstreit. Nach einem poetischen Zwischenspiel in zwei Barcarolles von Gabriel Fauré beendete Joseph Moog den ersten Teil fulminant in der 12. Ungarischen Rhapsodie von Liszt.

Joseph Moog, 34, ist ein schon arivierter Pianist von fast französischem Klangsinn und extremer Brillanz, urteilt Prof. Böhmer. Große Begeisterung im Bismarck-Saal der Kupferberg Sektkellerei in Mainz, der zum ersten Mal seit Jahren wieder als Konzertsaal genutzt wurde – durchaus wohlklingend und dank der schönen Bühnen-Beleuchtung auch mit Atmosphäre. Das Konzert wurde aufgezeichnet und wird später in SWR2 gesendet.

p.s.: Am Samstag, 26. November 2022 spielt Dmytro Udovychenko ein Soloprogramm, nur mit Klavierbegleitung, und zwar im Künstlerhaus Edenkoben. Auch da wird der Stern Villa Musica noch einmal eine Rolle spielen und wird der Künstler dem Publikum von Barbara Harnischfeger im Gespräch vorgestellt.