FREUNDE erspüren das Besondere
Wie würden Sie entscheiden? Unter diesem Motto waren die FREUNDE der Villa Musica eingeladen, beim Wettbewerbskonzert für Duos Violine-Klavier parallel zur Experten-Jury zu werten und einmal zu testen, wie es um die eigene Urteilskraft bezüglich musikalischer Qualität bestellt ist. Das Ergebnis: FREUNDE und Fachjury lagen nah beieinander. Wettbewerbs-Sieger wurden das Duo Hannah Walter und Luisa Imorde, gefolgt von Johanna Eschenburg und Ludmilla Kogan. Die beiden Duos erhalten - wie die Sieger des vorausgegangenen Wettbewerbs “Bläserquintett” - als Preis in der zweiten Saisonhälfte mehrere Konzertauftritte gegen Honorar.
Einen Konzert-Marathon absolvierten 62 FREUNDE der Villa Musica an diesem Wettbewerbssonntag des 19. September 2010. Viele davon waren aus dem Mainzer Raum bis nach Engers gekommen, einer sogar aus der Pfalz. Zwischen 15 und 20 Uhr dreieinhalb Stunden Violine und Klavier. Sechs Duos waren zum Kurs zugelassen worden und gingen nach einer Woche Probenarbeit an den Start. Schaut man ins Programmheft auf die Vitae der Musiker, kann man nur staunen, was alle schon an Ausbildung, Wettbewerben, Meisterkursen und Auftritten absolviert haben; in jungen Jahren. Beim Wettbewerbskonzert von “Cours et Concours”, wie das 2010 zum zweiten Mal aufgelegte Projekt der Villa Musica heißt, begann jedes Ensemble vorgeschrieben mit einer Mozart- oder einer Beethoven Sonate. Die anderen Stücke standen zur freien Wahl.
Das Sieger Duo Walter/Immorde bot das ausgefallendste Werk: George Crumb, Four Nocturne von 1964. Dabei zupfte die Pianistin die Saiten des Flügels oder brachte sie mit einem Schlagzeugbesen zum Klingen. Die Geigerin ging in extreme Lagen, verzauberte mit Geräuschen und Klangverfremdungen, flüsterte im Flagolett nächtlich schemenhafte Musik. Überhaupt die Geigerin Hannah Walter: wie ein weiblicher Neigel Kennedy kam sie manchem vor, mit ihrer scharf rasierten Frisur, dem schwarzen Kleid und den Stiefeln dazu. Die erst 21jährige zog das Publikum in ihren Bann und lies den Funken überspringen. “Sie ist etwas Besonderes und hat noch Entwicklungspotential” meinte die Fachjury. Bei einem zufälligen Zusammentreffen der jungen Geigerin mit der Freundeskreisvorsitzenden in der Pause stellte sich heraus, Hannah Walter drückt sich auch mit Worten gut aus und kann über Musik sprechen. Spontane Idee: Wenn diese außergewöhnliche junge Frau demnächst ihr Konzert gibt, sollte man sie zu einem Gespräch mit den Freunden bitten.
Durch animiertes Spiel fielen auch die zweiten Preisträger, Johanna Eschenburg und Ludmilla Kogan den Freunden der Villa Musica auf. Der neue Steinway D-Flügel in Schloss Engers lässt sich sensibel und leise spielen, wie man bei diesem Duo hörte. Andere Pianisten setzten auf laute Kraftmeierei. Das akzeptierte die Fachjury nicht. Die Geigen-Dozenten Nicolaus Chumachenco und Erika Geldsetzer und der Komponist Volker David Kirchner, selbst Bratschist, bildeten die Jury, zusammen mit dem Geiger Stephan Picard. Der Professor an der Hochschule für Musik Hans Eisler in Berlin hatte die sechs Ensembles, die zum Wettbewerb zugelassen wurden, eine Woche lang in Schloss Engers gecoacht. Zu viert saß die Jury nach dem Wettbewerbskonzert mit den FREUNDEN zusammen und erläuterte die Entscheidungskriterien für die Auswahl der Preisträger. Alfons Moritz vom Vorstand der FREUNDE, wertete derweil zusammen mit Vereins-Geschäftsführer Kai Link die Stimmabgabe der FREUNDE aus.
Dass alle Bewerber ihr Instrument ausgezeichnet beherrschten, steht bei der Villa Musica, wo nur die Elite des Musikernachwuchses antritt, außer Frage. Worum es letztlich geht ist das Ausschöpfen der werkimmanenten Möglichkeiten. Was die entscheidende Rolle spielt ist die Persönlichkeit des Musikers, die in die Interpretation und Gestaltung eines Werkes einfließt, und bei einem Duo natürlich das Zusammenwirken. Kammermusik machen nicht zwei nebeneinander her spielende Solisten, mögen sie noch so virtuos sein.
Und über allem steht die entscheidende Frage:
“Zwingen mich diese Musiker, ihnen zuzuhören?”, so Nicolaus Chumachenco. Diese Frage war bei den beiden Preisträgerduos eindeutig mit Ja zu beantworten – da waren sich Publikum und Fachleute einig. Die FREUNDE der Villa Musica sind dankbar für die Gesprächsbereitsschaft der Fachleute und die Einblicke in deren Urteilskriterien. Und die interessierten Laien sind ein bisschen stolz, dass viele von ihnen in eigener Wertung das richtige Gespür bewiesen. 16 hatten exakt so getippt wie die Fachjury sich entschied. Sie erhalten von der Villa Musica Eintrittskarten zu den Konzerten der Preisträger geschenkt.
Das 2009 erstmals aufgelegte Villa Musica-Format “Cours et Concours” ist eine Kombination von Meisterkurs und Wettbewerb. Es geht nicht, wie sonst bei “Kurs und Konzert” um einzelne Stipendiaten , die mit Dozenten zu einem Kammermusikteam zusammengefügt werden. Für “Kurs und Wettbewerb” werden bereits außerhalb der Villa Musica-Arbeit bestehende Ensembles eingeladen. Sie erhalten während einer Woche in Schloss Engers die Möglichkeit, sich durch einen Meister überprüfen zu lassen und sich in diesem Meisterkurs den kammermusikalischen Feinschliff zu holen. Die beiden Projekte 2010 - Duo Violine/Klavier und Bläserquintett - haben die FREUNDE der Villa Musica aus einer Sonderspende finanziert. Die Mitglieder des Freundeskreises waren deshalb bei freiem Eintritt zum Wettbewerbskonzert eingeladen.