Aus der Steiermark zu den Berliner Philharmonikern
Die Geigerin Johanna Pichlmair in der Villa Musica-Konzertreihe KARRIEREN
Im Rückblick erscheine es ihr wie ein Wunder, sagt die ehemalige Villa Musica-Stipendiatin im Gespräch mit Barbara Harnischfeger am 16. März 2025 in Schloss Engers. Johanna Pichlmair ist 1990 in Judenburg in der Steiermark geboren. Ihr Vater ist Tierarzt, der Onkel Bergbauer. Ein bisschen Heidi-Idylle habe sie schon erlebt. Aber ihre Mutter kaufte viele Landspielplatten mit Violinkonzerten. Deshalb habe sie als Fünfjährige David Oistrach mit dem Beethoven-Violinkonzert gehört und wollte das auch spielen, ohne je eine Geige gesehen zu haben. Die kleine Johanna bekam die Chance, Geige zu lernen. Es gab im benachbarten Fronshof eine Geigenlehrerin „die überqualifiziert war“, die an der Julliard-School in New York studiert hatte. Bei ihr begann Johanna mit dem Unterricht als 6jährige. Mit 14 durfte sie dann das bewusste Violinkonzert zum ersten Mal spielen – mit Orchester. Erst mit 18 habe sie zu studieren begonnen, zuerst in Salzburg, dann in Berlin, unter anderem bei Antje Weithaas. Bis dahin sei sie immer an der Musikschule in Fronhof gewesen bei Alexandra Rappitsch. Von ihr habe sie wirklich alles gelernt: von „Alle meine Entchen“ bis zu den Violinkonzerten. Ein großes Glück sei das gewesen.
Einige Freunde der Villa Musica haben 2019 Johanna Pichlmair bei einem Ausflug in die Villa Ludwigshöhe in Neustadt/Weinstrasse kennengelernt, wo sie bei einem Villa Musica-Konzert einsprang. Stipendiatin war sie schon 2012 gewesen. Zur Zeit der Begegnung in Neustadt war die Geigerin für drei Jahre Aushilfe beim Orchester des Bayrischen Rundfunks, war 2. Preisträgerin bei der Montreal International Music Competition geworden- nicht ihr erster Wettbewerbs-Gewinn. Und: sie hatte gerade ihr Vorspiel auf eine feste Stelle bei den Berliner Philharmonikern gewonnen. Ein Traum.
Mehr als von dem Vorspiel für die feste Orchesterstelle spricht Johanna Pichlmair vom weiter zurück liegenden Probespiel für die Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker. Damals sei sie 24 gewesen, habe bis zum Umfallen für die Teilnahme an Wettbewerben geübt, sei also hoch trainiert gewesen. Es gab 84 Mitbewerber. Drei sind genommen worden. Das gesamte Orchester ist die Jury. In der Karajan-Akademie und beim Bayrischen Rundfunk habe sie viel von älteren KollegInnen gelernt. Man müsse sich nach dem vielen solistischen Spielen bei Wettbewerben erst in den Mikrokosmos Orchester einfinden. Jedenfalls habe ihr die Tatsache, dass sie schon bei der Akademie der Berliner gespielt hat, sicher geholfen, 2019 das Probespiel - wieder vor dem gesamten Orchester - zu gewinnen und Mitglied der Ersten Geigen zu werden.
Auf ihrer Homepage schreibt Johanna Pichlmair: „Für mich als Geigerin ist eine der größten Herausforderungen, sich einerseits perfekt in das musikalische Konzept des Orchesters einzufügen und gleichzeitig eine eigenständige persönliche Aussage beizutragen.“ Wie geht das? Antwort: „Man darf nicht denken, ich spiel da jetzt halt mal mit, sondern man muss Intensität ins Spiel legen. Nur durch den persönlichen Einsatz gewinnt die Musik an Kraft.“
Und wie behält man die eigene Kraft in einer Baby-Pause? Na, durch Üben, so weit es geht. Das Gedächtnis habe schon nachgelassen in der Zeit. Das Karriere-Konzert sei ihr Wieder-Einstieg ins Berufsleben, sagt die junge Mutter. Jetzt beginne ihr Mann mit der Elternzeit. Er ist übrigens mit in Engers und nach dem Konzert geht es samt ihm und der fünf Monate alten Camilla zum Abendessen beim Italiener. Jan Bauer ist Cellist beim Staatsorchester Braunschweig, muss immer vom Wohnort Berlin aus pendeln. Wie Familie und Beruf nach der Elternzeit zu organisieren sind, müssten sie sehen. Eine Kita haben die Berliner Philharmoniker jedenfalls – noch – nicht.
Beim Konzert hat man übrigens nichts von Gedächtnis-Schwächen gemerkt. Johanna Pichlmair spielte in Schloß Engers ein hoch virtuoses Programm, teils sogar auswendig – in schönster Harmonie mit ihrer Partnerin am Flügel, Miao Huang. Die beiden Musikerinnen zündeten ein Feuerwerk an schillernden Klängen in Beethovens F-Dur-Sonate, Schuberts h-Moll-Rondo, in der Debussy-Sonate und im Rondo capriccioso von Saint-Saëns. Dass man auch im 21. Jahrhundert noch hemmungslos romantisch komponieren kann, bewiesen die beiden in der h-Moll-Sonate, die der berühmte Mathematiker Alexey Shor zusammen mit dem Pianisten Mickail Pletnev verfasst hat.
Das Zusammenspiel und das Aufeinander hören im Duo, im Ensemble, hat Johanna Pichlmair nicht zuletzt bei der Villa Musica gelernt. Und sie sagt: auch für einen Orchestermusiker ist Kammermusik zu machen wichtig. Im Orchester höre man sich selbst zu wenig. „Was Präzision und Klang angeht kann man ohne Kammermusik die Qualität nicht halten.“ Wenn sie beim Orchester nicht eingeteilt sei - und bei den Berlinern gibt es weniger Dienste als bei kleineren Orchestern – dann fahre sie nicht in Urlaub, sondern versuche, sich weiter zu entwickeln bzw. das Vorhandene zu pflegen, indem sie Kammermusik spiele.
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Ausklang nach dem Konzert:
Johanna Pichlmayr, Miao Huang, Jan Bauer. Und mittig und rechts im Bild Freundeskreis-Mitglied Hans-Ulrich Stelter mit dem Ehepaar Kemmann von der Firma ADAPT, durch deren Spende das Karriere-Konzert ermöglicht wurde. Und die kleine Camilla.