Die ganze Zeit Krach zuhause

Die Geigerin Susanna Yoko Henkel im Karriere-Gespräch

„Es war die ganze Zeit Krach zu Hause“, sagt Susanna Yoko Henkel, Tochter des Cellisten und Hochschullehrers Christoph Henkel, im Gespräch mit der SWR-TV-Moderatorin Ariane Binder beim Karriere-Konzert im Stammhaus der Villa Musica in Mainz. Mit Krach im Haus Ihrer Kindheit in Freiburg meint die heute 43jährige Susanna Yoko Henkel keinen Familienstreit, sondern: es habe immer jemand geübt. Und wörtlich: „ Ich kann mich an keine Zeit ohne Geige erinnern, ich war immer von Musik umgeben. Meine japanische Mutter spielte Bratsche. Meine Eltern haben regelmäßig Hauskonzerte gegeben, haben Freunde eingeladen, Programme vorgestellt, die sie dann öffentlich spielen wollten. Und von meinen Eltern weiß ich, mein erster Satz war: ich will Geige spielen. Ich habe nicht locker gelassen und zum zweiten Geburtstag bekam ich meine Geige“.

KARRIEREN ist eine Konzertreihe von „Freunde der Villa Musica“ mit ehemaligen Stipendiaten, die ihren Weg gemacht haben. Prof. Alexander Hülshoff, der Künstlerische Leiter der Landesstiftung Villa Musica, sucht die Künstler und Künstlerinnen aus - für den 16. Februar 2019 war es die erfolgreiche Geigerin Susanna Yoko Henkel. Die „Welt am Sonntag“ hatte sie 2007 zu einer der Erbinnen Anne Sophie Mutters gekürt. 2011 wurde sie für ihre Einspielung des Tschaikowski-Violinkonzertes mit dem Echo Klassik-Preis ausgezeichnet. 2012 gab sie ihr Debüt als Solistin in der Kölner Philharmonie. Susanna Yoko Henkel unterrichtet seit 2010 zusätzlich zu ihrer solistischen Konzerttätigkeit als Professorin an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln. Sie lebt in Zagreb. Ihr Ehemann stammt von dort. Aber sie selbst habe dorthin gewollt, weil sie sich vorstellte, da in Ruhe arbeiten zu können. Dem sei aber nicht so, denn sie habe in Zagreb ein Kammermusikfestival gegründet und erlebe, was ein Veranstalter für Künstler und Publikum alles managen muss. Seitdem habe sie große Hochachtung vor solcher Organisationsleistung, erzählt die Geigerin dem Publikum der Villa Musica.

Hineingeboren in eine Musikerfamilie - ist das Freude oder Belastung, fragt Ariana Binder. Die Antwort: „Es hat Vor- und Nachteile. Ich hatte den Eindruck, dass immer nur über Musik geredet wird.“ Wer war die prägende Lehrerin? „Anna Chumachenco. Zu ihrer Klasse in München gehörten auch Julia Fischer, Arabella Steinbacher, Lisa Batishvilli. Riesen Namen“. Jede habe ihre ganz eigene Persönlichkeit entwickeln dürfen. Die Lehrerin habe nicht ihre eigene Schule übertragen, sondern jede animiert, ihr Potential voll auszuleben.

Von ihrer eigenen Lehrtätigkeit in Köln berichtet Susanna Yoko Henkel, sie sei gezwungen, über Vieles nachzudenken, das für sie selbst natürlich ist, weil sie so früh angefangen hat. Wenn sie bei ihren Studenten Probleme sehe, etwa in der Handhaltung, müsse sie darüber nachdenken und erklären, wie das Problem zu lösen ist. Bei ihr selbst seien die Bewegungsabläufe intuitiv, automatisch passiert.

Villa Musica – wie im richtigen Leben

Und wie hat sich Susanna Yoko Henkel durch die Akademieprojekte bei der Villa Musica weiterentwickelt, muss natürlich gefragt werden. Die Antwort: „ Es war eine wunderbare Zeit, weil wir damals an der Musikhochschule noch nicht den heute üblichen Kammermusikunterricht hatten. Villa Musica war eine tolle Möglichkeit, mit großen Solisten, bekannten Professoren aufzutreten und in kurzer Zeit ein phantastisches Repertoire zu erarbeiten. Da konnte man reinschnuppern wie das richtige Leben dann später ist“. So Susanna Yoko Henkel im Talk. Und dann spielt sie zusammen mit der in Moskau geborenen Pianistin Julia Akruashvili Ludwig van Beethovens „Kreutzersonate“ - himmlisch schön.

Ist Musik eine Metasprache, die einem mit Menschen verbinden kann, fragte Ariane Binder. Susanna Yoko Henkel: „Ja natürlich. Ich spüre die Energie im Saal. Jeder Mensch im Publikum trägt zum Konzert bei. Das ist ja das Phantastische bei Live-Konzerten: diese Synergie zwischen Publikum und Künstler.“

Was wollen Sie erreichen beim Zuhörer? „Ich stelle mir vor jedem Konzert das Beste vor, das sein kann - dass sich nämlich die positive Energie, die in den Werken steckt, auf alle überträgt. Ich wünsche mir, dass jeder der in ein Konzert geht, mit mehr nach Hause geht. Ich hoffe, dass ich das bewirken kann.“

Es ist wohl einhellige Meinung im Publikum: Das Spiel von Susanna Yoko Henkel hat uns bereichert. Die Energie hat sich übertragen. Als Instrument spielt Susanna Yoko Henkel die „Ex Leslie Tate“ Stradivarius von 1710, eine Leihgabe aus privatem Besitz. Ein Freund der Villa Musica durfte sie nach dem Konzert ganz genau betrachten.