Ich bin durchgefallen

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Daniel Hope im Gespräch mit Barbara Harnischfeger. Foto: Herbert Piel

 

Star-Geiger Daniel Hope und die Villa Musica

 

Beifall-Trampeln als Ausdruck höchster Begeisterung für den britischen Geiger Daniel Hope am Sonntag, 18. November 2012, im Diana-Saal von Schloss Engers. Der Geiger und sein kongenialer Partner am Flügel, Sebastian Knauer, spielten Sonaten von  Brahms, Mendelssohn und Grieg mit einer Könnerschaft und mit einer Ausstrahlung, die alle in ihren Bann zog. Im folgenden Artikel geht es um Daniel Hope. Er ist absolute Spitzenklasse in Tongebung, Phrasierung, Ausdruck und musikalischem Geschmack; ein Publikumsfänger auch durch seine elegante Erscheinung. Da scheint sein -wie er sich nannte- „musikalischer Großvater“  Yehudi Menhuin durch, glaubt man zu spüren.  Und die Freunde der Villa Musica  fühlten sich dem Künstler so nah, konnten seine facettenreiche und wo es passte unglaublich warme Tongebung körperlich spüren. Zusätzlich wurden sie durch seine sympathische Art im Interview überwältigt. Die Menschen waren jedenfalls hin und weg.

Zu danken ist das Konzert dem Künstlerischen Leiter der Villa Musica, Prof. Alexander Hülshoff.  Er wollte Daniel Hope haben und hatte die Idee, ihn für die Reihe KARRIEREN zu verpflichten, die von den FREUNDEN der Villa Musica finanziell unterstützt und präsentiert wird; Gesprächskonzerte, in denen ehemalige Villa Musica-Stipendiaten vorgestellt werden, die es als Instrumentalisten zu etwas gebracht haben. Der Witz bei Daniel Hope: er hat nie an einem Kammermusikkurs der Villa Musica teilgenommen, und er ist – trotzdem- ein Star geworden, so kündigte ihn Barbara Harnischfeger, die Freundeskreisvorsitzende an. Im Interview erinnert sich der 42jährige mit dem Welterfolg  genau an das Vorspiel bei Villa Musica 1993 : „Ich bin durchgefallen“.  Großes Gelächter im Publikum.

Ja, tatsächlich, so konnte Barbara Harnischfeger aufklären: Daniel Hope war der Jury, vor der er das Probespiel absolvierte,  zu sehr amerikanisch und russisch geprägt, was heißt:  er spielte „kräftig, saftig, schon zu solistisch“. So erinnert sich der frühere Künstlerische Leiter der Villa Musica, Klaus Arp. Der hatte Daniel Hope eingeladen, weil er den Hintergrund des damals 19jährigen kannte: Daniel Hope ist schon als Kind den großen Musikern seiner Zeit wie Pinchas Zuckermann und Mistlaw Rostropowitsch begegnet, hat sie spielen hören. Denn seine Mutter war Sekretärin und später Agentin von Yehudi Menhuin. Im Sommer, wenn Menhuin in Gstaad sein Festival hatte, nahm er die gesamte Familie Hope mit von London in die Schweiz und Daniel zog die Musik sozusagen mit der Muttermilch ein.

Seinen Weg machte Daniel Hope aber alleine, erzählt er im Interview. Menhuin habe ihn als Geigenspieler erst beachtet, als er sich mit 16 Jahren schon an der Royal Academy of Music eingeschrieben und sich den großen russischen Geiger Zakhar Bron als Lehrer erkämpft hatte.

Zum Musizierstil befragt bekennt Daniel Hope:  Seine großen Idole waren Zukermann, Menuhin, Oistrach.  Aber im Laufe der Zeit habe er auch die historisch informierte Aufführungspraxis kennengelernt und sein Klang habe sich verändert. Barockmusik sei für ihn bereichernd und wichtig geworden. Allerdings, wenn er wie am Abend in Schloss Engers Johannes Brahms spielen dürfe  oder Joseph Joachim – dem großen Geiger des 19. Jahrhunderts hat er eine CD gewidmet – dann fühle er, dass in dieser Musik so viel Emotion, so viel Leidenschaft steckt. Das sei absoluter Genuss.

 

Wie kommt man zu Erfolg?

Üben, üben, üben. „Man braucht Glück, man braucht Ziele, man darf nicht aufgeben. Aber Du musst üben.“ Und er habe erkannt, wann sich eine Chance bietet und sie ergriffen. Zudem: keine Scheu davor, Menschen anzusprechen. Offen sein, das sei wichtig.

Offenheit beweist Daniel Hope unter anderem bei Projekten mit Künstlern anderer Gattungen: man könne auch von Pop-Musikern oder von einem Schauspieler wie Klaus Maria Brandauer lernen; das Atmen, das Phrasieren, die Bühnenwirkung.

 

Spurensuche

In dem Buch „Familienstücke“ gibt Daniel Hope preis, was ihn geformt hat. Das Buch ist aber keine bloße Biografie, sondern es ist eine Spurensuche nach der eigenen Identität. Der Großvater väterlicher Seite war Ire. Er ist nach Südafrika ausgewandert. Dort wurde Daniel Hope geboren. Die Eltern gingen dann nach London, weil der Vater, ein Schriftsteller, die Rassentrennung in Südafrika nicht mehr aushielt – und dann begegnete die Familie der Apartheid sogar in London; hier liefert das Buch Zeitgeschichte. Und Zeitgeschichte verbindet sich mit Persönlichem wenn Daniel Hope von seinen jüdischen Wurzeln erzählt. Von Mutters Seite stammt er aus zwei jüdischen Unternehmerfamilien in Berlin. Die Villa seiner Urgroßeltern Valentin in Dahlem wurde durch den SS-Führer und späteren Reichaußenminister von Ribbentrop persönlich beschlagnahmt.

Das alles war im 20minütigen Interview zwischen den Konzertteilen bei Villa Musica nur anzureißen. Barbara Harnischfeger verwies auf Hopes Konzert-Projekte in Erinnerung an die im Holocaust  umgebrachten Theresienstadt-Komponisten wie Hans Krása, Victor Ullmann, Gideon Klein.  Das waren Komponisten, die in Theresienstadt interniert wurden. Sie schrieben dort ihre Musik, organisierten hunderte von Konzerten. Die Nazis nutzten die sogenannte  „Freizeitgestaltung“ aus, um der Welt zu zeigen, wie „gut“ es den Juden in Theresienstadt ginge. (Einige Freunde der Villa Musica wussten gleich Bescheid. Sie waren 2003 bei einer Reise mit ihrem Verein nach Mittelböhmen auch in der “Festungsstadt” und hatten eine Überlebende getroffen.) Daniel Hope erzählte, dass er für einen Film eine 108jährige Pianistin interviewt hat. “Musik war für die Menschen Hoffnung”.

Daniel Hope ist eine Forschernatur und er ist ein Musikvermittler. Dass er über Musik spricht, dass er Bücher schreibt, habe nur den einen Grund: dass er nämlich verrückt sei nach Musik und an andere die Begeisterung übertragen wolle. Sein Buch “Wann darf ich klatschen” brachte ihn sogar in die Bild-Zeitung.

 

Wann darf ich klatschen?

Daniel Hope hat es historisch recherchiert. Bei einer Aufführung von Beethovens Neunter Sinfonie sei nach dem ersten Satz zehn Minuten lang geklatscht worden; der Satz musste sofort wiederholt werden. Noch bis 1904 sei mittendrin in einer Passage geklatscht worden  bei einem Rubinstein-Klavierabend; es wurde sogar gerufen: “Quel artiste.” Im 20. Jahrhundert haben sich Regeln entwickelt und das sei gut, damit man sich konzentrieren kann.  “Aber wie soll ich meinen Freunden, die in Popkonzerte gehen, sagen, Du darfst nach einem Satz nicht klatschen”, meint  Hope. Ihm gehe es darum, dass die Menschen überhaupt ins Konzert kommen. “Wenn sie sich gewöhnen und merken, dass man den Saal mit anderen teilt, dann merken sie auch wann passt es zu klatschen.”  Aus Begeisterung für einen virtuos gespielten Satz dürfe man schon klatschen.

Da hatte er etwas gesagt. Die neue Freiheit probierte das sonst so disziplinierte und versierte Publikum der Villa Musica im zweiten Teil des Konzertes gleich mal aus; von Daniel Hope mit einem Schmunzeln quittiert. Man war sich ganz nah.

 

Höchst sympathisch

Und das ist eben das Besondere, was man in Veranstaltungen von „Freunde der Villa Musica“ erlebt: einem Künstler so nah zu sein, ihn räumlich ohne Distanz zu spüren, ihn im Gespräch von seinen künstlerischen Auffassungen her und auch von der menschlichen Seite kennenzulernen. „ Er ist aber auch besonders sympathisch“, war ein vielfach geäußerter Kommentar nach Konzert und Interview.

 

Für Villa Musica nicht verloren

Übrigens. Für die Kammermusik wurde Daniel Hope trotz seiner Ablehnung bei Villa Musica später doch noch für fähig gehalten, so kam noch zur Sprache. 2002 nahm ihn das legendäre Beaux Arts-Trio als Geiger auf. Er spielte 400 Konzerte – bis zur Auflösung des Trios 2009. Zu dem Pianisten des Trios, Menachem Pressler, hat er eine enge Bindung. Den 89jährigen besuchte er kürzlich als der in Schloss Engers einen Stipendiaten-Kurs gab.

 

Vom Diana-Saal mit seinem Rokoko-Deckengemälde ist der weit herum gekommene Geiger Daniel Hope jedenfalls schwer beeindruckt. Seine Worte:  „Was für eine Kammer“.

Und vielleicht kommt Daniel Hope ja auch einmal für ein Kammermusikprojekt ins Schloss Engers als Dozent. Würden Sie das machen, fragte Barbara Harnischfeger. Die Antwort wörtlich: „Was die Villa Musica macht, ist hervorragend, ist weltweit bekannt, das muss man als Musiker unterstützen. Ich kann mir natürlich vorstellen, hier mit den talentierten Musikern zu spielen, und hoffe nur, dass ich angenommen werde.“ J

 

Mehr zu Daniel Hope in seinem Internetauftritt: www.danielhope.com