Ein toller Tag mit der Harfenistin Silke Aichhorn
KARRIERE-Konzert: brillant und äußerst unterhaltsam
Nur 52 Menschen im Diana-Saal zugelassen. Deshalb Karriere-Konzert im Doppelpack – 11 Uhr und 15 Uhr. Und dazwischen gemeinsames Mittagessen im Gartensaal von Schloss Engers. Immerhin ging so etwas wieder am 17. Oktober 2021, nach einer langen Corona-Pause. Und 100 Freunde der Villa Musica genossen es, wie Silke Aichhorn die Harfe spielte, staunten als sie ihr Instrument erklärte und lachten herzlich, als sie moderierend und im Interview mit Barbara Harnischfeger Erlebnisse aus ihrem Leben zwischen Hochzeiten, klassischem Konzert und Beerdigungen erzählte. Das Publikum war aus dem Häuschen. So viel Bodenhaftung und so viel Witz hatten die FREUNDE bei Villa Musica noch nicht erlebt wie in diesem KARRIERE-Konzert, dem 19. in der Reihe, für die Prof. Hülshoff ehemalige Stipendiaten einlädt.
Eine Sache der FREUNDE
Finanziert werden die Konzerte vom Verein. Der Zuspruch war so gut, dass die Kosten voll durch die Eintrittskarten gedeckt sind und sogar noch ein guter Tausender übrigbleibt – der kommt der Villa Musica für die Nachwuchsförderung zugute. Dank an Silke, die inzwischen auch Mitglied bei den FREUNDEN geworden ist, dass sie das Programm für ein Honorar zweimal spielte, inklusive der hoch anspruchsvollen „Moldau“. In dieser Transkription ersetzt sie ein ganzes Orchester und berauscht das Publikum.
„Lebenslänglich frohlocken“
Silke Aichhorn hat ein Buch unter dem ironischen Titel „Lebenslänglich frohlocken“ geschrieben. Und es gibt eine CD davon. Man kann es im Handel oder bei ihr direkt bestellen: www.silkeaichhorn.de Deshalb müssen hier keine Anekdoten wiedergegeben werden. Was Silke Aichhorn aus ihrem Alltag als Harfenistin, die sich selbst managt, erzählt, ist jedenfalls skurril, manchmal erschreckend, aber so lapidar wiedergegeben, dass man ständig schmunzeln muss.
Harfe vom Engel-Image befreien
Im Konzert hat Silke Aichhorn eine Botschaft: „Dieses Instrument ist nichts für zarte Engelchen“. Und das belegt sie ganz einfach mit Fakten. Zum Harfe spielen brauche es nicht nur Musikalität, sondern auch Kraft in den Fingern. Auf dem Rahmen liegt eine Zugkraft von 1,5 Tonnen. Die 47 Saiten sind also hart gespannt. Silke Aichhorn hatte als Kind im heimischen Traunstein mit ausgestreckten Fingern gespielt. Das wäre kein Leben lang gut gegangen. Als sie nach acht Jahren Harfe spielen ins Studium kam zu der Professorin Chantalle Mathieu in Lausanne, musste sie noch mal ganz von vorne anfangen mit dem Lernen und einen Monat lang allein mit einem einzigen Finger üben wie man richtig greift. (Die Geschichte, wie sie, das Landei, sich aufmachte nach Lausanne, um die Lehrerin aufzusuchen, ist eine Story für sich.)
Konzentration und Koordination gefordert
Weiter zur Harfe: Die Harfe hat keine „schwarzen Tasten“ wie das Klavier. Die Harfenistin muss die Halbtöne durch ein Verändern der Saitenlänge ständig selbst einstellen. Das geschieht über sieben Pedale. Deshalb sind die Beine ständig in der Luft und das Körpergewicht lastet auf dem Rücken. Das schnelle reagieren auf Änderungen der Tonart im Stück verlange zudem hohe Konzentration, sagt Silke Aichhorn. Und sie könne sich nicht einfach so hinsetzen wie an einem Klavier und mal spielen, sondern müsse für jedes Stück zuvor ausrechnen, an welcher Stelle welches Pedal einzusetzen ist. Und Originalliteratur gebe es nur wenig.
Eine Harfenistin brauche super gute Augen, sagt Silke Aichhorn. Die Saiten fühlten sich nämlich alle gleich an, auch wenn sie mit dem Pedal einen Halbton eingerichtet hat, dann fühle sie das nicht, sondern müsse konzentriert gucken. Ein seliger Engelsblick sei da nicht möglich. Zur Orientierung habe sie nämlich nur, dass die c-Saiten rot sind, die f-Saiten schwarz. Die grauen dazwischen sind bei Kerzenlicht und je nach Hintergrund nicht zu sehen. Und sehen muss sie. Also, Weihnachtskonzert in einer dunklen Kirche ist der Horror. Gut, dass bei der ZDF-Aufzeichnung des Konzertes mit Jonas Kaufmann 2020 in einer Kirche Nahe Salzburg Fernseh-Licht gesetzt war.
Die Harfe ist ein athletisches Instrument, so die Formulierung von Silke Aichhorn. Zugute komme ihr, dass sie eins dreiundachtzig groß ist, deshalb müsse sie sich nicht zu sehr beugen beim Spiel. Und wenn es um den Transport des 40 kg schweren „Babys“ geht, schaffe sie das mit einer Art Sackkarre überall hin. Bevor sie auf einen Hausmeister warte, der ihr hilft, nutze sie lieber die Zeit, sich einzuspielen am Konzertort.
Orchester wäre langweilig
Durch die Corona-Situation sind für Silke Aichhorn bis Oktober 2021 nahezu 100 Konzerte ausgefallen. Und jetzt im Dezember, als ich diesen Bericht schreibe, geht es schon wieder los mit den Absagen und fehlenden Einnahmen. Dies ist das Los einer Soloselbständigen. Und trotzdem bereut sie es nicht, dass sie nach Studium und Stipendiaten-Zeit bei der Villa Musica vor 25 Jahren nicht ins Orchester gegangen ist. Das wäre ihr zu langweilig gewesen: darauf warten, dass man mal dran kommt „und dann vergisst einem der Dirigent noch und gibt keinen Einsatz“.
Künstlerin, Managerin, Sportlerin, Autofahrerin, Mutter
Silke Aichhorn hat die Corona-Phase genutzt, neue Programme zu erarbeiten und auf CD einzuspielen. Sie hat ihr eigenes Label und kommt jetzt auf die Zahl 29. Sie ist ihre eigene Managerin. Und sie hat natürlich mit der Familie zu tun. Zwei „Pubertiere“ sind in ihrem Haushalt, wie sie sagt, Mädchen. Und sie hat einen Mann. Der hat gar nichts mit Musik zu tun, ist gelernter Förster und jetzt Chef des Technikreferats im Deutschen Hängegleiter-Verband. Beim Alpenverein hat sie ihn kennen- und bewundern gelernt. Silke Aichhorn ist früher sogar geklettert. Nicht gerade gut für die Finger einer Harfenistin oder vielleicht gerade. Heute fährt sie mit dem Mountain Bike durch die herrliche Natur ihrer Heimat Chiemgau. Als Älteste unter sechs Geschwistern ist sie dort aufgewachsen. Mutter und Geschwister leben noch immer dort um sie herum. Ihre Bodenständigkeit hat die Reisende in Sachen Harfe nie verloren, auch wenn sie im Jahr 40 000 Kilometer mit dem Auto unterwegs ist und bei ihren Einsätzen, bei ihren Engagements außerhalb von klassischen Konzerten, auch in andere Welten eintaucht, ins Wohnzimmer von Industriellen guckt, in der Bayrischen Staatskanzlei jährlich beim Neujahrsempfang drei Stunden am Rande des Defilees im Vorfeld des Ministerpräsidenten „klampft“, wie sie sagt, und es darüber sogar schon bis zu einem einstündigen Konzert im Vatikan vor Papst Benedikt geschafft hat. Na, der kommt schließlich auch aus Bayern und hatte sogar in Traunstein, wo Silke Aichhorn lebt, seine Primiz. Aber das war vor ihrer Geburt.
Instrument mit Wertverfall
Ach, was noch zu beantworten wäre: Wieviel ist die Harfe wert, die Silke Aichhorn spielt: 37 000 Euro, und das ohne Goldbeläge. Zitat: „Die Harfe verliert, wie die Spielerin, mit der Zeit an Spannkraft. Nach acht Jahren muss sie ausgetauscht werden. Die Harfe.“
Beim Abschied aus Engers erzählt Silke, 51, noch: sie habe von zwei Agenturen das Angebot bekommen, auf Kabarett-Bühnen aufzutreten. Das passt doch hervorragend. Viel Erfolg weiterhin. Den FREUNDEN der Villa Musica war es ein Vergnügen.