Ein Covergirl bezaubert in natura

Cellistin Camille Thomas beim Karriere-Konzert der Villa Musica

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sie ist das Gesicht der Saison 2019 auf dem Jahresprogramm der Villa Musica: die dunkelhaarige Cellistin Camille Thomas aus Paris. Die heute 30jährige, deren Eltern aus Sri Lanka stammen, studierte in Berlin, Weimar und Köln. „Als ich 18 war wollte ich nach Deutschland, wo die klassische Musik am meisten geliebt wird, in das Land von Schumann und Mendelssohn, die meine Lieblingskomponisten sind, wie auch Schubert“, erzählt sie im Gespräch mit Barbara Harnischfeger am 17. Februar 2019 im Diana Saal von Schloß Engers. 2010 bis 2013 war Camille Thomas hier Stipendiatin der Villa Musica. 2017 erhielt sie einen Vertrag bei der Deutschen Grammophon. Wie ging das so schnell? Camille erzählt: Sie war in der Fernsehsendung „Stars von morgen“ bei Rolando Vilazon in ARTE. Da habe der Präsident von DG sie gehört. Später sei er in ein Konzert gekommen und eine Woche später habe sie den Vertrag bekommen. Nun posiert sie für das Platten-Label mit ihrem Cello über den Dächern von Paris. „Mit Camille Thomas versucht man es auf die französische Art“ schreibt Manuel Brug in der „Welt“ und macht sich grundsätzliche Gedanken über eine solche Karriere als „Cello-Girly“ in der Nachfolge von Jaqueline Dupré und Sol Gabetta, sieht die Gefahr, dass durch eine schnelllebige Vermarktung der künstlerische Tiefgang in Zukunft leiden könnte. Das bringt doch sicher Druck, fragt die Interviewerin.

„Wenn man überleben will in diesem Business, darf man über solche Sachen nicht zu viel nachdenken“, sagt Camille Thomas. „Ja, es stimmt, der Druck ist enorm, aber ich versuche zu spielen und meinen Job zu machen, die Leute glücklich zu machen, sonst wird es zu schwer für mich.“

Und dann auch noch Neid und Missgunst in der Branche über Einträge in den sozialen Medien. Liest sie so etwas gar nicht? „Doch, leider lese ich alles. Ich will alles wissen. Aber später werde ich vielleicht weniger lesen“, sagt Camille. Man brauche Nerven, um seinen Weg zu machen. Manchmal sei es sehr schwer. Aber sie habe einen lieben Mann und Eltern. „Das hilft unglaublich“.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Camille Thomas lebt tatsächlich in Montmatre. „Aber ich bin nicht immer auf dem Dach“, sagt sie schelmisch. Sie liebe, dass es in Montmatre viele Cafés gibt, viel Musik, ihre Freunde – auch wenn sie nicht oft da sein kann. Es sei aber gut zu wissen, dass es das gibt.

Für eine Karriere kommt es darauf an, dass Konzertaufträge kommen. Das ist der Fall durch die gute Vermarktung der Plattenfirma. USA, Japan, Deutschland, Singapur stehen ihr für nächstes Jahr bevor. Barbara Harnischfeger zitiert ein Mitglied des von den „Freunden“ geförderten Aris Quartetts, das jetzt, am Beginn des großen Erfolges gesagt hat: Wir müssen uns entscheiden, ob wir jeden Auftrag annehmen, um Geld zu verdienen auf die Gefahr, dass wir nur noch produzieren und nichts mehr dazu lernen. Darauf geht Camille Thomas ein. Vor ein paar Tagen sei sie in Bratislava gewesen. Da habe ihr ein erfahrener älterer Dirigent gesagt, sie solle vorsichtig sein. Man müsse immer fit sein, dürfe nicht zu viel machen. Da habe es bei ihr „klick“ gemacht, sie habe verstanden, dass sie aufpassen muss. Sie brauche auch noch Ruhe, um sich künstlerisch weiter zu entwickeln.

Woran erinnert sich Camille Thomas eigentlich in Bezug auf ihre Stipendiaten-Zeit bei Villa Musica? Oh, sie habe ein Projekt mit dem 90jährigen Menachem Pressler gehabt. Und sie erzählt in ihrem charmanten Deutsch: „ Ich respektiere ihn so sehr. Es ist diese harte Schule und das ist gut. Das Leben ist nicht immer einfach. Er war hart, aber ich bin auch streng mit mir selbst. Er war nie zufrieden und ich mit mir auch nicht. Ich würde es nie wagen so zu kritisieren wie er. Aber er sagt es. Menachdem Pressler hat als Pianist die beste Dynamik. Das Pianissimo habe ich mit ihm entdeckt, wie man mit dem Instrument ganz leise sprechen kann. Ja, er spricht einfach. Ich habe so viel gelernt. Es ist die alte Schule. Alles hat seine Bedeutung im Notentext.“

Wie groß ist eigentlich die Kraftanstrengung beim Cello spielen, will Barbara Harnischfeger mal aus erster Hand wissen. Das gleichmäßige Andrücken des Bogens bis zur Spitze mit den dünnen Armen einer Frau – wie geht das? „Ich habe keine Muskeln, es ist mehr Entspannung als Muskeln“, sagt Camille. „Das lernt man. Dafür braucht man 20 Jahre. Das ist das Schwierigste. Der Bogen ist unsere Stimme“. Apropos Bogen: ihrer hat 50 000 Euro gekostet. Und er müsse jeden Monat neu bespannt werden.

Und was ist mit den Fingerkuppen? Hat sie schon mal einen Fingerkuppenriss gehabt? „Ja, regelmäßig. Jetzt habe ich Hornhaut. Da können Sie ein Messer drauf setzen“, sagt Camille Thomas. Sie sei übrigens kein Wunderkind gewesen, sondern habe seit ihrem vierten Lebensjahr hart geübt. Ihr Motto sei: „Never give up“. Und das ist auch der Titel einer Rapsodie, die Fazil Say für sie geschrieben hat. Der Mitschnitt der Uraufführung im Konzert von Oktober 2018 wird auf der nächsten CD erscheinen, die „Hoffnung“ heißt. Dafür nimmt sie noch andere Stücke von Fazil Say auf, in denen es um Terrorismus gehe, um Kampf zwischen den Kulturen, um Krieg und Frieden. „Das Cello ist wie eine männliche Stimme, die leidet.“

Das Publikum in Schloss Engers erlebte Camille Thomas mit der Cellosonate „Vier Städte“ von Fazil Say, mit Ernest Bloch, Felix Mendelssohn und Robert Schumann - und da war Tiefgang bei einem betörenden Ton.

Duo-Partnerin von Camille Thomas war die Pianistin Shani Diluka. Diese Frau ist ein Kaliber für sich. Sie faszinierte durch ihren wohl dosierten Anschlag, ihr einfühlsames Spiel am großen Steinway D-Flügel in Engers.

Die FREUNDE der Villa Musica präsentierten wieder einmal ein Spitzen-Konzert. Es war das 15. Konzert in der  Reihe KARRIEREN, die Prof. Alexander Hülshoff als Künstlerischer Leiter der Villa Musica ermöglicht.