Ich möchte wie die Bartoli singen

Klarinettistin Sabine Grofmeier in Konzert und KARRIERE-Gespräch

Es war ein heiterer Konzertnachmittag, der alle ansprach, in der ehemaligen Synagoge, dem Haus der Begegnung, bei Werner Keym in Meisenheim am Glan. Zwischen Poulencs Sonate mit zirkusartigen Tonkaskaden im Schlusssatz über Leonard Bernsteins „I like to be in America“ bis zum Lieblingskomponisten aller Klarinettisten, Carl Maria von Weber, war alles dabei, was Musikfreunde erfreut. Sabine Grofmeier bezog sich im zwischengeschalteten Interview auf die Mezzosopranistin Cecilia Bartoli, weil deren geläufige Gurgel Vorbild für sie ist in der Umsetzung der Rossini-Arie „Una voce poco fà“ (aus dem Barbier von Sevilla) auf der Klarinette.

Sabine Grofmeier zieht mit ihrem kantablen Spiel und mit ihren verbindenden Worten zwischen den Musikstücken gleich alle in ihren Bann. Als sie dann im Interview - durch Barbara Harnischfeger animiert – vorführt, wie Permanentatmung funktioniert, kommt helle Begeisterung auf: eine Tonleiter, gespielt ad infinitum, durch Einatmen gleichzeitig zum Blasen des Instrumentes, das ist eine Zirkusnummer für sich. Am Ende des Konzertes, nach dem Grand Duo Concertant, op 48 von Carl Maria von Weber ein Klezmer-Stück als Zugabe – bewegend und berührend. Und die Solistin sagt, dass sie selbst berührt sei, zum ersten Mal nach Corona wieder vor Publikum spielen zu dürfen. „Ohne Sie, das Publikum ist alles nix“. Dann noch eine weitere Zugabe. Was soll jetzt noch kommen? Ein Stück das „Abnehmend“ heißt. Groß die Verblüffung als sich der Titel wörtlich bewahrheitet: die Solistin spielt, nimmt den Schaltrichter ihrer Klarinette ab, übergibt ihn einem Jungen in der ersten Reihe, spielt weiter, nimmt das nächste Stück ab, überreicht es einer Zuhörerin, spielt mit dem Reststück des Instrumentes, das sie mit dem Finger stopft, weiter, nimmt auch das letzte Stück des Instrumentes ab und bläst einen letzten schrillen Ton - nur auf dem Mundstück. Tosender Applaus der 60 zugelassenen Konzertbesucher.

Zwei Mal war das KARRIERE-Konzert wegen zu hoher Corona-Inzidenz-Zahlen im Kreis Bad Kreuznach verschoben worden. Am Sonntag, 27. Juni 2021 um 17 Uhr, fand es statt. KARRIEREN ist eine Konzertreihe, die von den FREUNDEN der Villa Musica finanziell getragen wird. Alexander Hülshoff, der Künstlerische Direktor der Villa Musica, sucht die Künstler aus, die von der Freundeskreisvorsitzenden Barbara Harnischfeger ins Gespräch gezogen werden, damit sie über ihren Beruf und aus ihrem Leben erzählen.

Die Klarinettistin Sabine Grofmeier war in den 90er Jahren Stipendiatin der Villa Musica, zur Zeit, als der Klarinettist Ulf Rodenhäuser die Kurs- und Konzertprojekte plante und selbst vielfach Dozent war. Mit ihm spielen zu dürfen, auch mit Sabine Meyer oder mit dem Oboisten Ingo Goritzki Pult an Pult, das sei ein großes Geschenk gewesen, sagt Sabine Grofmeier. Nach dem Studium und der Villa Musica-Zeit hat sie sich aber entschieden, keine Kammermusik zu machen, auch nicht ins Orchester zu gehen, sondern den Weg als Solistin zu versuchen. Geschmack an den solistischen Auftritten habe sie gefunden durch die “Klassische Philharmonie Bonn“, ein von dem kürzlich verstorbenen Heribert Beisel geleitetes Orchester, das jungen Musikern die Chance gibt, als Solisten aufzutreten. Mozart- und Weber-Klarinettenkonzert habe sie da gleich 15 Mal gespielt, in Berlin, München, Stuttgart, Hamburg. Selbständig zu sein sei eigentlich schon ihr Wunsch als 12jährige gewesen. Für das Goethe-Institut war sie viel unterwegs in der Welt. Ein Agent hat ihr solistische Auftritte vermittelt. Und dann hat die Liebe sie nach Mallorca verschlagen. Was macht eine Musikerin dort, wenn sie spielen will, sie gründet ihr eigenes Festival. „Es war eine schöne Zeit“, sagt sie auf die Anmerkung, dass das Privatleben wohl nicht immer förderlich sei für eine Künstlerkarriere.

Seit neun Jahren lebt die in Marl im Ruhrgebiet geborene Sabine Grofmeier in Hamburg. Diese Stadt habe sie sich ohne fremde Einflüsse gewählt, einfach weil es ihr dort gefalle. Und sie hat auch dort eine Konzertreihe installiert, die „Hamburger Serenadenkonzerte“ in den Mozartsälen im neoklassizistischen Logenhaus Nähe Dammtor. Sie spielt, stellt ihre Gäste vor – im November wird es der Cellist Alexander Hülshoff sein - und bezieht das Publikum ein. Sie brauche diese Kommunikation und wolle einfach Freude verbreiten.

Das gelingt ihr. Sicher auch in ihrer Diemersteiner Konzertreihe in der Pfalz. In der Villa Dennis, die der Universität Kaiserslautern gehört, läuft diese Reihe.

Aber ohne zu unterrichten kann eine Solistin nicht überleben. Eigentlich habe sie das Unterrichten zurückfahren wollen, erzählt sie. Dann kam Corona und sie ist dankbar, dass sie Schüler hat, die sie dann online betreut hat.

Nun steht ein großes Ereignis bevor: im November 2021 spielt sie ein Konzert in der Elbphilharmonie, im Großen Saal. Da ist Sabine Grofmeier Solistin in einer Brahms-Sonate, die für Orchester umgeschrieben wurde, für die „Hamburger Camerata“. In der Hamburger Laisz-Halle habe sie schon oft gespielt, aber die Elbphilharmonie, das sei der Ritterschlag. Wobei Barbara Harnischfeger sich nicht verkneifen kann anzumerken, dass Kammermusik in kleinen Kammern, an historischen Orten wie sie in Rheinland-Pfalz durch Villa Musica bespielt werden, für die Zuhörer das größere Erlebnis sei. „Wir sind keine Provinz, die großen Künstler kommen zu uns.“ Körperlich zu spüren wie der Musiker die Töne produziert und gestaltet, mit ihm zu atmen und sich als Teil des Geschehens zu fühlen, das erlebe sie nur, wenn sie dem Künstler räumlich nah ist, sagt die Freundeskreisvorsitzende von Villa Musica. Das Karriere-Konzert in Meisenheim hat es wieder einmal bewiesen. Das Publikum war sichtlich hingerissen und beseelt. Sabine Grofmeier hat eine familiäre Atmosphäre erzeugt und alle glücklich gemacht. Selbst gesetztes Karriere-Ziel erreicht.

 

 

Die Pianistin Maria Komissartchik, Moldawierin, die am Tschaikowsky-Konservatorium in Moskau studiert hat und jetzt wie Sabine Grofmeier in Hamburg lebt, war eine ernsthafte, konzentriert fundierende Partnerin im Konzert. Und durch einige Solostücke, die zu hören ein Genuss war, gab sie der Klarinettistin zwischendurch Zeit, um wieder zu Puste zu kommen.